Die Nachfolgenden – Generationen und ihr Arbeitsverständnis
Die Nachfolgenden –
Generationen und ihr Arbeitsverständnis
Zu meiner Jugendzeit nannte man es meist noch liebevoll „Hotel Mama“ – allerdings hat sich auch das in den letzten Jahren rasant gewandelt, in eine Lebensversicherung mit angeschlossener Bank – mit den Namen „Mama“ und „Papa“.
Doch was hat all das mit Mut, dem Business und den ach so „bösen Baby-Boomern“ zu tun?
Wir werden vom ersten Atemzug an von unserem Umfeld geprägt.
Wenn Kinder sich für etwas interessieren, werden sie heutzutage schnell überfordert. Kaum schaffen sie drei schiefe Töne auf der Plastik-Trompete, schon werden sie als Talent eingestuft und mit hunderten Angeboten, Fahrdienst und womöglich Begabtenförderung in eine fix und fertige Welt mit wattierten Leitplanken gesetzt.
Eine völlig entzauberte Situation, was den Kids die Freude am Entdecken und Aktivsein raubt und sie lustlos zurücklässt. Mehr noch: Durch das stetige Kümmern während des gesamten Heranwachsens, durch die Helikopterei der Eltern aus der Baby-Boomer-Generation, stecken die Selbstbestimmung und Eigenständigkeit oft auch im Erwachsenen-Alter immer noch in den berühmten Kinderschuhen. Obwohl die Türen der Selbstverwirklichung sperrangelweit offen stehen wie keiner Generation vorher, schrumpft einerseits die Planbarkeit, andererseits überfordern all die Möglichkeiten – weshalb es den allermeisten unglaublich schwer fällt, sich festzulegen.
Aus der Sozial-Psychologie ist Folgendes bekannt: Wenn man eine Wahl aus zwei, drei Optionen trifft, hat man meist das gute Gefühl, sich richtig entschieden zu haben. Wenn man jedoch eine Auswahl aus zehn oder zwanzig Optionen treffen darf, was in unserer heutigen Welt die neue Normalität ist, beschleicht einen immer die Angst, sich falsch entschieden zu haben, zu wenig Zeit in die Recherche gesteckt zu haben oder gar etwas zu verpassen. Womit die Wahl zur Qual wird — was den Unterschied der Generationen im Umgang mit Entscheidungen sehr deutlich macht. Früher gab es schlicht nicht diese Fülle an Wahlmöglichkeiten, weshalb es um ein Vielfaches leichter war, seinen Weg zu gehen. Familie ist deshalb heutzutage wichtiger denn je, denn die Kinder sind auf unterschiedlichsten Ebenen abhängig, unter anderem auch von den Erfahrungen und Einschätzungen der Eltern. Schade nur, dass diese zwar unglaublich viel möglich gemacht, allerdings viel zu wenig für die Eigenständigkeit der Kinder getan haben.
Ein Grund dafür, warum man im Business oft das Vorurteil hört, dass die Vertreter der jüngere Generation wachs-weich sind, sich zu viel auf theoretisches Wissen einbilden und überängstlich auf Erfolg und Moral bedacht sind.
Auf den ersten Blick ist da tatsächlich etwas Wahres dran. Auf den zweiten Blick allerdings wird schnell deutlich, dass sie lediglich das Ergebnis ihrer Erziehung sind. Haben die Eltern sie nicht weichgekocht und vor allen vermeintlichen Härten des Lebens bewahrt? Waren es nicht ihre Eltern, die sie ängstlich auf studieren und beruflichen Erfolg konditioniert haben? Und waren es nicht die Eltern, die ihnen jeden Wunsch von den Lippen abgelesen haben, wenn sie dies konnten?
Dieses Vorurteil spiegelt deshalb nicht die Jüngeren wider, sondern viel mehr ihre Eltern, deren wenig hilfreiches Verhalten und im Nachhinein fragwürdige Erziehungsmethoden. Der von den Eltern gepackte Emotions-Rucksack macht es den Jüngeren unglaublich schwierig, mit Zutrauen selbstbestimmt ihren Weg zu gehen.
Und zum Dank werden sie im Business von einigen der Älteren belächelt, manchmal sogar vorverurteilt und allzu oft unterschätzt. Abgestempelt als Träumer oder unfähig für echte Arbeit. Dabei sind die Herausforderungen von heute völlig andere und weitaus komplexer und schnelllebiger als zu den Jugend-Tagen der Baby-Boomer.
Ausgeträumt – nur ein neues Miteinander bringt uns heutzutage noch voran.
Die Baby-Boomer-Generation wurde geprägt von einem jahrzehntelang gültigen Aufstiegsversprechen, das in Deutschland seine Entstehung nach dem Krieg hatte: Wenn du dich nur anständig reinhängst, wirst du sicher aufsteigen, dann wird aus dir „was werden“. Für die Generationen, die heute in Arbeitswelt starten, trifft dies nur noch bedingt zu. Der Aufstieg ist um ein Vielfaches komplexer und anspruchsvoller geworden als früher. Die technischen Möglichkeiten wie auch die soziale Herkunft entscheiden wesentlich stärker mit — und gleichzeitig wurde das Versprechen des eigenen sozialen Aufstiegs durch die Gewissheit des zu erwartenden Erbes ersetzt.
Wer Probleme nicht als Probleme, sondern vielmehr als Inspiration wahrnimmt –
beendet das aufreibende Grübeln und wird von der Lösung meist von ganz alleine gefunden.
Kein Wunder, dass heutige Generationen nach Freude, Selbsterfüllung und Sinnhaftigkeit suchen und bei weitem nicht so sehr von Geld, Macht und äußeren Leistungsfaktoren bestimmt sind wie frühere Generationen. Entscheidungen werden deshalb zunehmend von ethischen, inneren Maßstäben bestimmt: Fühlt sich diese Entscheidung richtig an? Bin ich dabei in Übereinstimmung mit meinen Werten? Kann ich damit der Welt dienen? Fragen hinsichtlich der Moral und der Fairness werden immer bedeutungsvoller.
Diese neue Weltsicht unvoreingenommen wahrzunehmen mag im ersten Moment für diejenigen, die vom Aufstiegsversprechen geprägt wurden, ziemlich herausfordernd sein. Doch wenn wir uns hierfür ganz bewusst Zeit nehmen, angestaubte Denkmuster einfach mal loslassen und akzeptieren, dass die Halbwertzeit von technologischem Wissen ohnehin in der rasant veränderten Arbeitswelt rapide sinkt, wird uns bewusst werden, dass an dessen Stelle Vertrauen, Offenheit und die Fähigkeit zur empathischen Kommunikation treten.
Weshalb die Arbeitswelt von morgen schon jetzt völlig neue Anforderungen an unsere Kompetenzen und Fähigkeiten stellt, die nur gemeinsam zu bewältigen sind. Indem Erfahrung sich mit Neugierde und Lust auf Neues verbindet. Wobei der Kommunikation eine ganz entscheidende Schlüsselrolle zukommt, die voraussetzt, dass man reflektiert und über seinen eigenen Tellerrand hinausschaut. Wenn man den Alltag nicht in gewohntem Schwarz/Weiß betrachtet, sondern andere Meinungen und Probleme in erster Linie als Inspiration sieht, dann muss man weder alleine, noch krampfhaft über Lösungen grübeln. Sprich doch einmal ganz offen über Ideen, Möglichkeiten oder Zusammenhänge mit deinem Gegenüber und deinem Umfeld. So findet einen meist die Lösung ganz von selbst und der Austausch stärkt neben deiner Persönlichkeit auch den Umgang mit Schwächen und Fehlern. Egal ob jung oder alt.
„Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen“
(Aristoteles, 384-322 v. Chr.)