Arbeitseinstellung: Warum und wann hat sich diese so gewandelt?
Arbeitseinstellung: Warum und wann hat sich diese so gewandelt?
Und was sind die Unterschiede zwischen dem alten Europa und den aufsteigenden Regionen Asiens?
Bevor wir allerdings in die große Weite Welt schauen, werfen wir doch erst einmal einen Blick auf uns. Mit drei ganz einfachen Fragen:
Was muss man tun, damit ein Unternehmen vor die Wand fährt?
Damit Beziehungen scheitern, in die Brüche gehen?
Oder der eigene Körper mit den Jahren zerfällt?
Die Antwort ist immer die Gleiche: Gar nichts.
Man kann sich entspannt zurücklehnen und dem Trauerspiel einfach zusehen, wenn man es aushält.
Wenn es dann wirklich eng wird, verfallen die allermeisten in blinden Aktionismus mit ganz viel Tempo – was das Gewissen zwar etwas beruhigt, allerdings nie wirklich zu etwas Gutem führt. Weshalb wir dringend mehr Fokus auf das Wesentliche legen sollten, um zu allem anderen ganz bewusst Nein sagen zu können. Zusätzlich brauchen wir eine gesunde wie auch positive Haltung zur Arbeit, mit Glauben an uns selbst ebenso wie an die Sache.
So wurde unser aktueller Wohlstand in den 60er, 70er, 80er und auch noch in den 90er Jahren aufgebaut – nicht mit einer gelebten Work-Life-Balance und einer 4-Tage-Woche bei vollem Gehalt. Sondern mit viel, sehr viel harter Arbeit und dem Mut zu echten Reformen und Anpassungen.
Arbeit bedeutete in den deutschen Rahmenbedingungen einen persönlichen Aufstieg, Freiheit und die Möglichkeit, das Leben zu führen, welches man sich wünscht, auch damit es den Kindern einmal besser geht als einem selbst. Weshalb wir über viele Jahrzehnte auch ein sehr attraktives Ziel für Gastarbeiter waren.
In der heutigen Zeit stört mich deshalb ganz gewaltig das immer lauter werdende Narrativ der bösen Arbeit.
Der Arbeit, die krank macht. Ich habe das selbst schon erlebt. Allerdings lag es — bei einer ganz genauen und ehrlichen Rückschau — nicht an der Arbeit, sondern an meinem eigenen Umgang damit. Woran liegt es also, dass Arbeit und Leistungsbereitschaft heute in einem so schlechten Licht erscheinen und nur noch als doof, lästig und unangenehm empfunden werden? Und warum liest man immer seltener von Arbeit als Motivation, als Aufstieg, als Teil einer Persönlichkeitsentwicklung?
Was ist bloß los in unserem Land?
Wir befinden uns in einer unglaublich beschleunigten, spannungsgeladenen Zeit, geprägt von gewaltigen Umbrüchen, Krisen und damit verbundenen Ängsten. Einer Zeit, in der viele alte Gewissheiten nicht mehr funktionieren. Wir erleben, wie wir Europäer und teilweise auch die Amerikaner geopolitisch wie auch wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung verlieren, während Asien und der globale Süden aufsteigen. Und zu alldem müssen wir auch noch die Überbevölkerung und die Nachhaltigkeits-Revolution in den Griff bekommen, andernfalls müssen wir uns über alles andere in 100 Jahren keine Sorgen mehr machen.
Eigentlich eine großartige Gelegenheit für gemeinsame Debatten, um vieles neu, anders und auch besser zu machen.
Und genau jetzt zeigt sich folgendes Problem:
Je komplexer und größer die Probleme sind, desto seltener werden Experten darauf angesprochen.
Unter anderem aus Angst um den eigenen Status und die psychologische Sicherheit. Was dazu führt, dass sich viele selbst überschätzen und sich in der Rolle des Deuters oder Erklärers sehen, schließlich hat man Erfahrung und kann sich mit wenigen Klicks online über alles selbst informieren. Wobei die Komplexität der Probleme wie auch die Aufladung durch Emotionen meist grandios unterschätzt wird und zu einer gewissen intellektuellen Feindseligkeit führt. Weshalb die, die lernen und erneuern wollen, als Besserwisser in die Ecke gestellt werden, da diese den Deutern und Erklärern in ihrem blinden Profilierungs- und Welterklärungsmodus im Weg stehen.
Damit etwas entsteht und vorankommt, braucht es einen offenen Austausch, echtes Interesse an Verbesserung und leidenschaftliche Anstrengungsbereitschaft im passenden Umfeld.
Denn wenn bei uns in Deutschland alle nur noch verwalten und immer weniger arbeiten, wenn wir uns nicht weiterentwickeln und attraktive Rahmenbedingungen schaffen, werden wir im internationalen Vergleich immer schneller zurückfallen, womit dann auch die Einkommen nicht mehr steigen und sichere Jobs wegfallen. Damit sinken die Steuereinnahmen und auch die Einnahmen der sozialen Sicherungssysteme. Also schlecht für alle, insbesondere für diejenigen, die das Geld am dringendsten benötigen.
Nachdem wir auf uns und Deutschland geblickt haben,
lasst uns einmal in die große weite Welt schauen.
Es ist spannend, den Dingen auf den Grund zu gehen. Als noch spannender empfinde ich es allerdings, andere Blickwinkel kennen zu lernen, weshalb ich meinen seit über 25 Jahren in Asien lebenden Bruder Mark Gabel zum SWEETWORK-Interview gebeten habe. Als CEO eines in Asien agierenden Konzerns, mit 680 Mitarbeitenden und 200 Millionen € Umsatz in den Bereichen Automotive, Spirituosen und Industrie, kann er zum Thema Arbeitseinstellung und über Unterschiede zwischen Europäern, Amerikanern und Asiaten jede Menge Blickwinkel beleuchten.
Arbeitseinstellung:
Was zeichnet Asiaten aus und was unterscheidet sie von Amerikanern und Europäern?
Rahmenbedingungen von Arbeit, Möglichkeiten für beruflichen wie privaten Aufstieg, aber auch die Risiken und deren Umgang damit unterscheiden sich teilweise deutlich im Vergleich zu anderen Regionen in der Welt. Und dennoch habe ich in all meinen Jahren hier die Asiaten ausnahmslos als äußerst fleißig und zuvorkommend erlebt. Immer getragen von Freude an Erneuerung und dem Gedanken, damit gemeinsam erfolgreich zu sein. Ein gelebtes und starkes Wir-Gefühl, um nicht nur im harten Wettbewerb zu bestehen, sondern dem anderen den entscheidenden Schritt voraus zu sein. Was nicht nur für Unternehmen gilt, sondern im gleichen Maße auch für jeden Einzelnen. Denn die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ist enorm groß und sehr stark, womit nur die Allerbesten die Chance auf die besten Jobs erhalten – völlig ungeachtet ihrer Herkunft.
Deshalb reflektiert man hier sehr viel selbstkritischer und arbeitet umso härter an sich und fürs Business. Man identifiziert sich sehr gewissenhaft mit dem Job, den Kollegen und den damit verbundenen Herausforderungen und investiert deshalb auch gerne mehr Zeit. Ohne Debatten darüber zu führen, ob diese Zeit vergütet wird oder wieviele Stunden bereits in dieser Woche auf der Uhr stehen.
Der zugeschriebene Wert bemisst sich am Miteinander, vor allem jedoch am Engagement und den Ergebnissen. Denn Erfolge steigern nicht nur den vergüteten Wert, sondern positionieren einen im beruflichen, vor allem jedoch im gesellschaftlichen Leben. Im asiatischen Raum gilt: Du bist, was du tust. Weshalb unter anderem Werte wie Fleiß und Lerneifer bereits den Kleinsten mit auf den Weg gegeben werden, um das Ticket zum Aufstieg selbst lösen zu können.
Der Staat konzentriert sich dabei auf sichere und attraktive Rahmenbedingungen, mit niedrigen Steuern. Insbesondere für Unternehmen, damit die fleißigen mehr profitieren und bessere Möglichkeiten geboten bekommen als die weniger fleißigen. Womit es sich im realen Leben tatsächlich lohnt, den Arsch hochzubekommen – was eben auch gesellschaftlich besonders hoch angesehen ist. Ähnlich wie auch in Amerika, wollen die meisten sich und ihr Leben immer und immer weiter verbessern, unter anderem um die Familie abzusichern.
Was wird von Asiaten als motivierend und wichtig im Job empfunden?
Die wichtigste Motivation für Asiaten ist die Möglichkeit zu performen und Teil einer großen Erfolgsgeschichte, einer namenhaften Brand zu sein, um aus den gebotenen Möglichkeiten das Beste herauszuholen.
Aus diesem Grund knüpfen Mitarbeitende ihre Loyalität direkt an den Erfolg des Unternehmens und nicht an das Unternehmen selbst – was Führungskräfte im besonderen Maße auf Trab hält. Sie müssen sich, ihr Team sowie den Status quo im Business immer wieder hinterfragen, um zwischen Chancen und Risiken flexibel zu bleiben und um Wege zu finden, wie es noch besser gehen könnte.
Macht das ein Mitbewerber besser, sind High Performer schnell mal weg oder sogar bei der Konkurrenz. Wo sie neben einer aktuellen Erfolgsgeschichte auch ein Gehaltssprung nach oben erwartet.
Weshalb stetige Erneuerung, Wandel und Mitarbeiterentwicklung die unverzichtbaren Grundvoraussetzungen sind, um ein dynamisches, erfolgreiches Miteinander zu initiieren.
Und manchmal geht es dennoch schief …
Bei wandelvollem Business oder wegbrechenden Aufträgen wird jedoch nicht lange gefackelt oder nach staatlicher Unterstützung gefragt — es wird sich schlagartig an die Situation angepasst und es werden meist deutlich Kosten reduziert, um das Unternehmen zukunftsfähiger aufzustellen. Was den Mitarbeitenden recht ist, auch wenn das bedeutet, den Job zu verlieren. Asiaten gehen damit sehr pragmatisch und vor allem sehr mutig um. Wie bereits gesagt, gilt ihre Loyalität dem Erfolg und nicht dem Unternehmen, weshalb es als Chance wahrgenommen wird, anderswo Neues zu lernen, mehr zu verdienen und, wenn es wieder besser läuft, möglicherweise zurückkommen zu können.
Wie gehen sie mit alltäglichen Herausforderungen und Wandel in Wirtschaft, Gesellschaft und Klima um?
Im asiatischen Wirtschaftsraum herrscht eine sehr lebhaft Dynamik, weshalb Schwankungen und Krisen sehr viel häufiger und beinahe als alltäglich wahrgenommen werden. Erfolg und Niederlage liegen hier sehr eng beieinander. Veränderungen werden daher eher pragmatisch betrachtet und als notwendig, meist sogar als interessante Chancen wahrgenommen. Welche Gründe dazu geführt haben oder wer was bietet, ist meist nicht wichtig. Entscheidend ist, wie man damit umgehen möchte, um aus der Gelegenheit etwas Gutes für sich und andere zu machen.
Dies sagt unglaublich viel über das asiatische Mind-Set wie auch über die „Resilienz-Fähigkeit“ im Umgang mit Herausforderungen aus. Dabei wird stets die Contenance gewahrt. Ebenso wie nicht geprotzt wird, wenn man viel verdient hat oder besonders erfolgreich ist, wird auch nicht gejammert, wenn man viel verloren hat oder es gerade nicht so läuft.
Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel, allerdings gehen Asiaten im Vergleich zu den Amerikanern sehr bewusst, fast schon stoisch mit dem um, was sich gerade zeigt, ohne es auf die Goldwaage zu legen. Was ich als äußerst angenehm empfinde und in all den Jahren sehr zu schätzen gelernt habe.
Aus diesen Gründen ist auch der Einfluss von Industrie und Wirtschaft auf die Politik ein anderer, er ist ungleich höher und es wird anders mit ihm umgegangen als in Europa. Er dient nicht nur der Gewinnmaximierung, sondern auch der behutsamen Anpassung, der attraktiven Gestaltung der Rahmenbedingungen, denn davon hängt alles ab und profitiert letztlich jeder.
Dabei spielt selbstverständlich auch Klima- und Umweltschutz, wie auch in meinem Business, eine zunehmend größere Rolle, allerdings ohne die allzu oft moralische Aufladung. Es geht darum, mit Klimaschutz die Erfolgsstory weiter fortzuschreiben, neue Chancen und Möglichkeiten tatsächlich zu nutzen, um seinen bestmöglichen Beitrag dazu zu leisten. Und nicht nur sein Gewissen rein zu waschen.
Und nun?
Das Gespräch mit meinem Bruder hat mir mehr denn je bewusst gemacht, wie wichtig es ist, mutig und vertrauensvoll an sich zu arbeiten. Nicht, um sich selbst zu überhöhen, sondern vielmehr, damit es allen, die wollen und können, ermöglicht wird, ein glückliches und erfolgreiches Leben zu leben.
Daher sollte man jede Gelegenheit nutzen, sich einfach mal ein paar Gedanken zu machen. Mit Mitentscheidern, Vertrauenspersonen oder auch Trainern und Coaches zu sprechen.
Denn man ist nicht alleine auf der Welt.
Umso neugieriger bin ich auf deine Eindrücke und freue mich auf den Austausch mit dir.
„Unser eigentliches Problem ist demnach ein mentales:
Es ist ja nicht so, als ob wir nicht wüssten, dass wir Wirtschaft und Gesellschaft dringend modernisieren müssten.
Trotzdem geht es nur mit quälender Langsamkeit voran. Uns fehlt der Schwung zur Erneuerung, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, eingefahrene Wege zu verlassen, Neues zu wagen.
Ich behaupte: Wir haben kein Erkenntnis-Problem, sondern ein Umsetzungsproblem.“
Ex-Bundespräsident Roman Herzog in seiner „Ruck-Rede“ 1997
… so viele Jahre danach empfinde ich diese Zeilen aktueller denn je.